89/2017

Künstliche Stoffe. Die synthetische Umformung der Welt

Inhaltsübersicht

Breuninger, Joachim: Kunststoffkarosserien in der DDR – revolutionär oder einfach nur alternativlos?

Joachim Breuninger

Kunststoffkarosserien in der DDR – revolutionär oder einfach nur alternativlos?

1955 erblickte mit dem Sachsenring P 70 aus Zwickau der erste PKW mit Duroplastkarosserie das Licht der Welt. Mit über drei Millionen Exemplaren war sein Nachfolger, der Trabant, das meistgebaute «Plastikauto» der Automobil-geschichte. Trotzdem war die Verwendung einer Kunststoffkarosserie alles andere als innovativ, stammte doch sowohl die Idee für die Verwendung von Kunststoff statt Stahlblech wie die gesamte Technik des Trabants aus den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts und wurde bis kurz vor Ende der Produktion nie grundlegend modernisiert.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Plastic bodywork in the GDR – revolutionary or simply a lack of alternatives?

In 1955, the Sachsenring P70 from Zwickau – the first passenger vehicle with thermoset bodywork – was launched. Its successor was the Trabant, of which three million were built, making it the most widely manufactured plastic car in automotive history. Nevertheless, the use of plastic in the bodywork was anything but innovative – both the idea of using plastic rather than steel and the Trabant’s entire technology were a product of the 1930s, and no fundamental modernization took place until shortly before production was wound down.

Erzinger, Stefan: Umweltaspekte von Kunststoffen und deren Bewertung

Stefan Erzinger

Umweltaspekte von Kunststoffen und deren Bewertung

In diesem Beitrag werden Umweltwirkungen von Produkten aus Kunststoffen dargelegt und Ökobilanzen als gesamtheitliche Methode der ökologischen Bewertung beschrieben. Potenzielle Umweltauswirkungen von Produkten können durch die Berücksichtigung umweltrelevanter Faktoren in der Produktentwicklung bereits frühzeitig erkannt, beeinflusst und begrenzt werden. Wichtig für nachhaltige und umweltfreundliche Produkte ist es dabei, den gesamten Lebenszyklus zu betrachten. Die Wahl eines Werkstoffes mit einem tiefen «ökologischen Fussabdruck», ein möglichst geringes Produktgewicht und optimierte Strömungsverhältnisse im Rohrleitungssystem sind wichtige Aspekte des ökologischen Produktdesigns.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Evaluating the environmental impacts of plastics

This paper presents the environmental impacts of plastic products and describes life cycle assessment as a comprehensive method of ecological evaluation. By making allowance for environmentally relevant factors at the product development stage, potential environmental impacts can be detected, channeled and limited. It is important to consider the entire life cycle when evaluating a product’s sustainability and environmental friendliness. Important aspects to be considered at the ecological product design stage are the choice of a material with a low ecological footprint, as low a weight as possible, and optimized flow properties in the piping system.

Haka, Andreas: Visionäre «beflügeln» Polymere: Verkannte Potentiale?

Andreas Haka

Visionäre «beflügeln» Polymere: Verkannte Potentiale?
Hybride Werkstoffe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Kaum einer Werkstoffgruppe wird derzeit von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern so viel Potential eingeräumt wie faserverstärkten Kunststoffen, jenen Werkstoffkonstruktionen, welche zumeist aus zwei verschiedenen Werkstoffen gefügt werden, um so durch eine vorteilhafte Kombination ihrer Eigenschaften einem Anforderungsprofil effizienter zu entsprechen. Das Prinzip der Faserverstärkung ist bereits seit der Antike bekannt. Jedoch erst im beginnenden 20. Jahrhundert widmeten sich zunächst nur einige Ingenieure im Rahmen der aufkommenden makromolekularen Chemie diesen hybriden Werkstoffen, um sie als Strukturwerkstoffe zu qualifizieren. Die Entwicklung, Fertigung und der Einsatz dieser Werkstoffe definierte einen neuen Umgang im Kontext werkstofftechnischen Designs und trug wesentlich dazu bei, neue Lasthorizonte für technische Produkte zu definieren. Dieser Prozess dauert bis heute an.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Visionaries spur on polymers: unrecognized potential?
Hybrid materials in the first half of the 20th century

Hardly any group of materials has more potential in the eyes of engineers and scientists than fiber-reinforced plastics; these are plastics that in most cases amalgamate two different materials whose combined properties achieve the required specifications more efficiently. The principle of fiber reinforcement has been known since antiquity. It was not until early in the 20th century, however, that engineers began to study these hybrid  materials, in the framework of the new discipline of macromolecular chemistry, and to define them as structural materials. The development, production, and use of these materials marked a new chapter in materials technology design and was instrumental in characterizing new load parameters for engineering products. This process is ongoing.

Haps, Silke: «Kunststoff auf Stahl = PLATAL». Diversifikation der Hoesch AG in den 1960er-Jahren ...

Silke Haps

«Kunststoff auf Stahl = PLATAL»
Diversifikation der Hoesch AG in den 1960er-Jahren: Haus «L 141» in Dortmund

Seit den 1950er-Jahren investierte der Montan-Konzern Hoesch in die Entwicklung korrosionsbeständiger, mit PVC plattierter Stahlbleche, «PLATAL» genannt, die u.a. als Gebrauchsgegenstände (wie Puder- oder Zigarettendosen), als Füllbehälter in der chemischen Industrie oder für Aussen- und Innenbekleidungen im Bauwesen angeboten wurden. Durch diese mit Kunststoff beschichteten Stahlbleche waren Entwicklungen wie «TEKTAL», ein Dachsystem aus «PLATAL», sowie gedämmte, beidseitig mit «PLATAL» beplankte Wandelemente möglich: Einhergehend mit der durch diese Diversifikation erleichterten Aufnahme der Fertigteil- bis Fertighausproduktion reihte sich der Stahlkonzern in eine bau-/produktionswirtschaftlich motivierte, politisch geförderte, in (material-)technischer Hinsicht experimentelle Bauphase der späten 1950er-/frühen 1960er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland ein.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Plastic on steel = PLATAL
Hoesch AG diversifies in the 1960s: House "L 141" in Dortmund

Starting in the 1950s, Hoesch, the German steel company, invested in the development of anti-corrosive plastic coatings to steel surfaces. The product is known as PLATAL and was used for consumer goods (e. g. powder compacts or cigarette cases), for hoppers or bins in the chemical industry or for outdoor and indoor cladding on buildings. These plastic-coated steel sheets opened the way for developments such as TEKTAL, a roofing system made of PLATAL, and wall elements with double-sided PLATAL insulation. As this diversification raised acceptance of prefabricated components and housing, the steel company was able to participate in the building boom of the late 1950s/early 1960s in the Federal Republic of Germany, a government-sponsored phase of materials experimentation that was driven by construction and manufacturing considerations.

Hofmann, Viola: «Hallo hier Perlon!» Über die Bewährungsproben eines neuen Textilfaserstoffes ...

Viola Hofmann

 «Hallo hier Perlon!»
Über die Bewährungsproben eines neuen Textilfaserstoffes in den 1950er- und 1960er-Jahren

Die westdeutsche Chemiefaserindustrie schickte sich in den 1950er- und 1960er-Jahren an, die Polyamide 6 und 6.6 nachhaltig auf dem Konsummarkt zu etablieren. Ziel war es, im Bereich der Textil- und Bekleidungsproduktion die neue Kunstfaser gleichwertig neben den schon bekannten Zellulosefasern zu positionieren, aber auch in Konkurrenz zu treten mit den Naturfasern. Allerdings blieb die erhoffte bahnbrechende Nachfrage nach dem revolutionären Material aus. Die Konsumenten reagierten verhalten. Der neue Textilfaserstoff war im Alltag der 1950er-Jahre weder bekannt noch bewährt. In Interessensverbänden schalteten die Hersteller Kollektivwerbungen für den Faserstoff Polyamid. Um die Abnehmer zu überzeugen, musste eine gänzlich neue Poetik des Materials generiert werden. Die Erfindung der Marke Perlon war dabei ein Schritt von vielen, um die neue Kunstfaser mit einer eigenen Narratologie auszustatten.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

"This is Perlon calling"  
The teething problems of a new textile fiber in the 1950s and 1960s

In the 1950s and 1960s, West Germany‘s synthetic fiber industry geared up to establish the polyamides 6 and 6.6 on the consumer market. The aim was to position the new synthetic fibers as an alternative to the well-known cellulose fibers in textile and clothing manufacturing and also as a competitor to natural fibers. However, the hoped-for demand that would send the revolutionary material "into orbit" never materialized. Consumer response was muted. In the 1950s the new textile fiber was still unknown to consumers and had not yet proven itself. The manufacturers banded together to promote polyamides through joint advertising. They had to invent an entirely new material discourse in order to persuade consumers. The invention of the Perlon brand was one of many measures taken to furnish the new synthetic fiber with its own narrative.

Klein, Ursula: Wissenschaftlich-technische Expertise in der Porzellanherstellung (um 1800)

Ursula Klein

Wissenschaftlich-technische Expertise in der Porzellanherstellung (um 1800)

Der Beitrag geht der Rolle von Wissen und Wissenschaften in der modernen technischen Stoffproduktion nach, und zwar mit Blick auf die Porzellanherstellung in den Jahrzehnten um 1800. Anhand neuer archivalischer Quellen wird das Wissen und die Ausbildungspraxis der Arcanisten und Laboranten der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur in Berlin beleuchtet. Beides wird in den Kontext des Diskurses über «nützliche Wissenschaften» gestellt. Die nützlichen Wissenschaften der Jahrzehnte um 1800 werden als eine Frühform der Technikwissenschaften vorgestellt, ein Drittes zwischen universitären Naturwissenschaften und gewerblicher Technik.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Scientific and technical expertise in porcelain manufacture (around 1800)

The paper investigates the role of knowledge and science in modern industrial production processes, focusing particularly on porcelain manufacture in the decades around 1800. Newly discovered archival sources throw light on the knowledge and training of "arcanum" specialists and ceramists at the Royal Porcelain Manufactory in Berlin. Knowledge and training are viewed in the context of the discourse on "useful science". The useful sciences in the decades around 1800 are presented as an early form of technology science, something new that is neither academic science as practiced in the universities nor commercial applied science.

Lattermann, Günter: Wer hat's erfunden? Adolf Spitteler und die Geschichte des Galaliths

Günter Lattermann

Wer hat's erfunden?
Adolf Spitteler und die Geschichte des Galaliths

Die Entwicklung von «Galalith» – neben «Celluloid» und vor der Entwicklung der vollsynthetischen Phenolharze der bedeutendste Kunststoff – wird immer mit der ersten Patenterteilung im Jahre 1897 an «Adolf Spitteler in Prien am Chiemsee» und «Wilhelm Krische in Hannover» in Verbindung gebracht. Über Adolf Spitteler wusste man bislang so gut wie nichts. Er wird in den spärlichen Hinweisen immer nur als «deutscher», «bayerischer» oder «österreichischer» «Chemiker» bezeichnet. Nichts von alledem stimmt. Im Beitrag wird der bislang unbekannte, verschlungene Werdegang Adolf Spittelers, eines Bruders des Schweizer Literatur-Nobelpreisträgers Carl Spitteler, bis hin zur Entwicklung des Kasein-Kunststoffs «Galalith» skizziert.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Who discovered it?
Adolf Spitteler and the history of galalith

The discovery of galalith – the most important plastic after celluloid and predating the development of fully synthetic phenolic resins – is invariably connected with the names of Adolf Spitteler in Prien am Chiemsee and Wilhelm Kirsche in Hanover, who were granted the first patent in 1897. Almost nothing was known about Adolf Spitteler before now. In the sparse information available he is always referred to as a German or a Bavarian or an Austrian "chemist". None of this is right. The paper outlines the  previously unknown, circuitous career of Adolf Spitteler, a brother of the Swiss Nobel Prize winner for literature, Carl Spitteler, up until the discovery of the casein synthetic plastic galalith.

Lütolf, Julia: Künstliche Stoffe in der Kunstproduktion

Julia Lütolf

Künstliche Stoffe in der Kunstproduktion 

Eine kleine Musterauswahl aus der Sammlung des Material-Archivs im Sitterwerk zeigte an der 39. Technikgeschichtlichen Tagung der Eisenbibliothek, in welchen Formen künstliche Stoffe in der Kunstproduktion zur Anwendung kommen. Die Materialsammlung ist Teil der Stiftung Sitterwerk in St. Gallen, die im Weiteren eine Kunstbibliothek, einen Ausstellungsraum mit Werken des Künstlers Hans Josephsohn und ein Atelierhaus für Gastkünstler umfasst. In direkter Nachbarschaft und engem Austausch mit dieser öffentlichen und gemeinnützigen Institution befindet sich die Kunstgiesserei St. Gallen.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Synthetic materials in art production

A small selection of samples from the material archive collection at the Sitterwerk demonstrated at the Iron Library’s 39th History of Technology Conference the forms in which synthetic materials are used in art production. The material collection belongs to the Sitterwerk Foundation in St. Gallen, which also has a library on art, an exhibition room with works by the artist Hans Josephsohn, and an atelier studio for guest artists. The Kunstgiesserei St. Gallen, a foundry dedicated to art, is located in the immediate vicinity and engages in close cooperation with this public and not-forprofit organization.

Mossmann, Susan: Early plastics: perspectives 1850–1950

Susan Mossman

Early plastics: perspectives 1850–1950

Plastics had their origins in the mid-nineteenth century and underwent extraordinary growth and proliferation over the next 150 years. The reliance on natural and then semi-synthetic "plastics" gave way to the development of the first truly synthetic plastic, Bakelite, in 1907. From then on the range and uses of plastics developed in a multiplicity of ways. Over time, plastics have proved to be the eminently transmutable and almost magical material envisaged in the dreams of the early plastic pioneers. The next fifty years heralded a range of exciting new plastics and what has been referred to as the "Plastics Age".

Dieser Artikel ist auf Englisch erschienen. Deutsches Abstract:

Frühe Kunststoffe: Perspektiven 1850-1950

Der Urspung der Kunststoffe liegt in der Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während den folgenden 150 Jahren unterlagen Kunststoffe in ausserordentlichem Masse dem Wachstum und der Verbreitung. Die Abhängigkeit von natürlichen und danach halbsynthetischen «Kunststoffen» leiteten 1907 die Entwicklung des ersten wahrhaftig synthetischen Kunststoffs, Bakelit, ein. Fortan entwickelten sich das Spektrum und der Gebrauch der Kunststoffe auf vielfältige Weise. Im Laufe der Zeit erwiesen sich Kunststoffe als äusserst wandelbare und fast magische Materialien, die in den Träumen der frühen Kunststoffpioniere angestrebt wurden. Die nächsten 50 Jahre verkündeten eine Reihe spannender neuer Kunststoffe, und läuteten das sogenannte "Zeitalter der Kunststoffe" ein.

Rasch, Manfred: Karl Ziegler und das Niederdruck-Polyethylen

Manfred Rasch

Karl Ziegler und das Niederdruck-Polyethylen
Rahmenbedingungen einer ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte

Der folgende Beitrag soll die Erfindungs- und frühe Vermarktungsgeschichte des Niederdruck-Polyethylens nachzeichnen. Die beiden Fragestellungen lauten: Warum wurde 1953 am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung – und nicht etwa an einem Polymerforschungsinstitut – das Niederdruck-Polyethylen1 erfunden? Und zweitens: Warum war die Vermarktung so erfolgreich, die dem Institut und seinen Erfindern rund 1 Milliarde DM Lizenzeinnahmen einbrachte? Unter finanziellem Aspekt war die Entdeckung des Verfahrens zur Herstellung von Niederdruck-Polyethylen nämlich die Jahrhundert-Erfindung. Sie ermöglichte dem Direktor Karl Ziegler, das Kohlenforschungsinstitut zu einem der grösseren innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zu entwickeln und zum einzigen, das sich über mehrere Jahrzehnte vollständig aus eigenen Patent- und Lizenzeinnahmen finanzierte. Dies ist ein einmaliger Vorgang in der Wissenschaftsgeschichte.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Karl Ziegler and low-density polyethylene
The conditions for an unusual success story

The following article describes the discovery and early marketing history of low-density polyethylene. There are two questions here. Firstly, why was low-density polyethylene discovered at the Max Planck Institute for Coal Research and not, say, at a polymer research institute? And secondly, why was marketing so successful that it earned the Institute and its discoverers about one billion D-marks in license revenues? In financial terms, the discovery of the process for producing low-density polyethylene was the invention of the century. It enabled Karl Ziegler to develop the Coal Research Institute into one of the larger institutes in the Max Planck Society and the only one that financed itself entirely from its own patent and license revenues over several decades. This is a unique story in the history of science.

Ruhland, Florian: Vormodernes Wasser-Wissen in der Eisenbibliothek (IV)

Florian Ruhland

Vormodernes Wasser-Wissen in der Eisenbibliothek (IV)
Das Wissen von der Wassergüte in Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts

Nachdem im ersten Teil dieser Serie das Werk von Jacob Leupold, im zweiten die Werke von Leonhard Thurneysser und Torbern Bergman und im dritten die Werke von Pierre-Joseph Macquer und William Thomas Brande im Fokus standen, soll im vorliegenden vierten und letzten Teil das Bild des vormodernen Wasser-Wissens abgerundet werden: Dazu werden eine deutsche, drei englische und eine französische Enzyklopädie aus dem 18. Jahrhundert vorgestellt und auf ihren Quellenwert hin überprüft. Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, in welcher Form chemische Wissensbestände in die Lexikonartikel eingeflossen sind. Ob die Enzyklopädien zur Popularisierung des Wasser-Wissens beitragen konnten, bleibt Spekulation.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Premodern water "know-how" in the Iron Library (IV)
Knowledge about water quality in 18th century encyclopedias

The first part of this series focused on the work of Jacob Leupold, the second part on the work of Leonhard Thurneysser and Torbern Berman, and the third part on the work of Pierre-Joseph Macquer and William Thomas Brande. This fourth and last part completes the picture of premodern water ‘know-how’. A German, a French and three English encyclopedias from the 18th century are presented and their value as sources is examined. Of particular interest is the question of the form in which chemical knowledge was incorporated into the lexicon articles. It is a matter of speculation whether the encyclopedias contributed to popularizing knowledge about water.

Steinfeld, Frederic: Die Beherrschbarkeit des Zufalls

Frederic Steinfeld

Die Beherrschbarkeit des Zufalls
Die Entscheidung zum Aufbau der Laborforschung des Chemieunternehmens Bayer

Die Entstehung industrieller Forschungslaboratorien steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklungsgeschichte der deutschen Teerfarbenindustrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zwischen 1870 und 1890 löste dort ein wissenschaftlich fundiertes Herbeiführen von Erfindungen eine praktische, nicht selten zufällige Herangehensweise ab. Diese Entwicklung setzte trotz sehr ähnlicher Ausgangsbedingungen in der chemischen Industrie zu unterschiedlichen Zeiten ein, da Unternehmen wie Hoechst oder BASF, in deren Führungsebene Chemiker angestellt waren, wesentlich früher den Wert einer Grundlagenforschung erkannten. Das Chemieunternehmen Bayer hingegen verkannte lange Zeit die strategische Bedeutung der Forschung – ein Umstand, der das Unternehmen an den Rand der Insolvenz führte.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Managing chance discovery
The decision to develop research at the chemical company Bayer

The development of industrial research laboratories in Germany is closely intertwined with the history of Germany’s dyestuffs industry in the second half of the 19th century. Between 1870 and 1890, the industry’s practical procedure, often based on chance discovery, gave way to a scientific approach to innovation. Though the conditions were very similar throughout the chemical industry, not all companies adopted the new ways at the same time – firms such as Hoechst or BASF, where chemists were part of management, recognized the importance of basic research far earlier than others. The chemical company Bayer, in contrast, was very late in identifying the strategic importance of research – a failure that almost drove the company into bankruptcy.

Vaupel, Elisabeth: Ersatz für die Naturvanille

Elisabeth Vaupel

Ersatz für die Naturvanille
Rezeption und rechtliche Behandlung der Aromastoffe Vanillin und Ethylvanillin in Deutschland (1874–2011)

Als Hauptaromastoff der Naturvanille ist das Vanillin ein natürlicher Aromastoff, der seit 1874 aber auch durch chemische Synthese gewonnen werden kann. Der Artikel schildert, wie das synthetisch hergestellte Vanillin seinerzeit von den Verbrauchern rezipiert wurde und wie es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in Deutschland zum allseits akzeptierten Ersatz für die teure Naturvanille aufstieg. Heute ist Vanillin der meistverwendete, jährlich im Tonnenmassstab produzierte Aromastoff der Welt.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Substitute for natural vanilla
Acceptance and legal treatment of the synthetic flavorings vanillin and ethyl vanillin in Germany (1874–2011)

As the main flavoring of natural vanilla, vanillin is both a natural flavoring and an artificial product that was first chemically synthesized in 1874. The article describes the initial consumer acceptance of chemically synthesized vanillin and how it became a widely accepted substitute for expensive natural vanilla in Germany in periods of economic crisis. Today vanillin is the world’s most widely used synthetic flavoring, produced on a multi-ton scale every year.

Wagner, Alexander: «Kunsttexte» über (Kunst-)Stoffe

Alexander Wagner

«Kunsttexte» über (Kunst-)Stoffe
Zu hybriden Formen zwischen Roman und Sachbuch

Der Beitrag umreisst anhand ausgewählter Beispiele das Verhältnis der Einbindung von versuchsweise so genannten Sachbuchromanen in die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik und vor allem den Vierjahresplan von 1936. Unter Einbeziehung des Konzepts einer Synthetischen Moderne werden sowohl Darstellungs- und Präsentationsmodi wissenschafts- und technikgeschichtlichen Wissens als auch spezifische Schreibverfahren der ausgewählten Texte in den Blick genommen. Dabei soll gezeigt werden, wie Literatur sich an wissenschaftsgeschichtlichen Aushandlungsprozessen und der Ausbildung einer Material- und Stoffkultur beteiligt und als Teil eines Medienverbunds zur Popularisierung wissenschaftlichen Wissens sowohl durch Integration «literaturfremder» Verfahren als auch mit den Mitteln iterarischer Darstellung agiert. Neben Hans Dominiks Buch über die Kunstfaser Vistra und Rudolf Brunngrabers Karl und das 20. Jahrhundert konzentriert sich der Beitrag vor allem auf Karl Aloys Schenzingers Roman Anilin.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

The fiction of non-fiction
Hybrid forms between the novel and non-fiction

Using selected examples, the paper describes how the genre of what will tentatively be called ‘non-fiction novels’ was integrated into the National Socialists’ economic policy and especially the 1936 four-year plan. The study focuses on both the description and the presentation of scientific and technological knowledge and the specific literary techniques of the selected texts, taking into account the concept of synthetic modernism. The aim is to show how literature is involved in scientific-historical arbitration  processes and in the creation of a material and object culture and how it acts within a multimedia system for the popularization of scientific knowledge by integrating both non-literary techniques and the means of literary depiction. In addition to studying Hans Dominik’s book on the synthetic fiber Vistra and Rudolf Brunngraber’s Karl und das 20. Jahrhundert, the article concentrates mainly on Karl Aloys Schenzinger’s novel Anilin.

Ferrum 89

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