Erzählzeit 2021

Lesung von Dana Grigorcea aus ihrem neuen Roman «Die nicht sterben»

Die diesjährige Lesung im Rahmen des Literaturfestivals «Erzählzeit ohne Grenzen» war besonders stimmungsvoll. Im Ambiente des Auditoriums im Klostergut Paradies und vor einer Kulisse, die den Park ins Innere holte, las Dana Grigorcea mehrere Auszüge aus ihrem neuen Roman «Die nicht sterben». Es war die erste öffentliche Veranstaltung vor Ort seit 2019. Rund 30 Gäste folgten der Einladung und freuten sich mit dem Team der Eisenbibliothek über die persönlichen Begegnungen. Obwohl die Wetterlage verhinderte, dass die Lesung im Klosterpark stattfinden konnte, blieben die vorhergesagten Gewitter aus. Aber sie hätten vielleicht eine passende Geräuschkulisse für einen Roman geliefert, der mit dem Mythos um Dracula verflochten ist!

Das hingerissene Publikum wurde von der Erzählerin in eine vergangene Welt mit fremden Ritualen und Lebensrhythmen, aber vertrauten Sinneseindrücken entführt, die sie vor dem geistigen Auge lebendig und bunt werden liess. Die gezielt ausgewählten Passagen der Autorin kontrastierten miteinander in der Stimmung und lockten die Zuhörer mit einem Querschnitt durch den Roman, der die malerischen Qualitäten ihres Schreibens zeigte, ohne die Handlung zu verraten.

 

Die anschliessende lebhafte Diskussion und Fragerunde gewährte Einblicke in Grigorceas Schreibprozess und beleuchtete die persönlicheren Themen aus dem Leben der Autorin, die sie in den Roman einbrachte, wie zum Beispiel eine ihrer Leitfragen, ob und wie Kunst Menschen vor Extremismus retten kann.

 

Wir danken Dana Grigorcea und dem Moderator Georg Freivogel für die gelungene Veranstaltung!

«Die nicht sterben» von Dana Grigorcea

Dana Grigorcea wurde 1979 in Bukarest geboren. Sie studierte an den Universitäten in Bukarest, Gent, Brüssel und Krems, bevor sie für die österreichische Tageszeitung «Kurier», Deutsche Welle und Arte arbeitete. Grigorcea ist eine produktive Autorin und Aktivistin, die sich von den Künstlern inspirieren lässt, die der rumänischen Diktatur ihrer Jugend Widerstand leisteten. Sie ist bekannt für ihre Essays und Kolumnen in Die Zeit. «Die nicht sterben» ist ihr vierter Roman.

Eine junge Bukarester Malerin kehrt nach ihrem Kunststudium in Paris in den Ferienort ihrer Kindheit an der Grenze zu Transsilvanien zurück. In der Kleinstadt B. hat sie bei ihrer grossbürgerlichen Grosstante unter Kronleuchtern und auf Perserteppichen die Sommerferien verbracht. Eine Insel, auf der die kommunistische Diktatur etwas war, das man verlachen konnte. «Uns kann niemand brechen», pflegte ihre Grosstante zu sagen. Inzwischen ist der Kommunismus Vergangenheit und B. hat seine besten Zeiten hinter sich. Für die Künstlerin ist es eine Rückkehr in eine fremd gewordene Welt, mit der sie nur noch wenige enge Freundschaften und die Fäden ihrer Familiengeschichte verbinden. Als auf dem Grab Vlad des Pfählers, als Dracula bekannt, eine geschändete Leiche gefunden wird, begreift sie, dass die Vergangenheit den Ort noch nicht losgelassen hat – und der Leitspruch ihrer Grosstante zugleich der Draculas ist. Die Geschichte des grausamen Fürsten will sie erzählen. Am Anfang befürchtet sie, dass sie die Reihenfolge der Geschehnisse verwechseln könnte. Dann wird ihr klar: Jede Reihenfolge ergibt einen Sinn. Weil es in der Geschichte nicht um Ursache oder Wirkung geht, sondern nur um eines: Schicksal. Inzwischen aber ist es für jede Flucht zu spät.