Das Dokument, in dem ich gerne eine Rolle mitspielen würde…
...wäre zum Thema meines Aufenthalts in der Eisenbibliothek der Film «Land des Honigs» (2019). In einem ausgestorbenen Dorf in Mazedonien imkert die Naturimkerin Hatidze, um sich und ihre Mutter mit dem Nötigsten zu versorgen. Sie hält Bienenvölker in Felshöhlen und Baumhöhlen und ist in der Lage, mit ihrer menschlichen Stimme die Quakgeräusche einer jungen Königin nachzuahmen, dass ein Schwarm sich setzt und von ihr eingefangen werden kann. Hatidze und ihre Mutter sind arm, leben und erleiden ein karges Leben, in dem die Bienen eine ständige Lebensstütze bilden. Sie leben mit der Natur im Einklang, erleben den Jahresverlauf und Trachtquellen, um dann den Honig ernten zu können, der ihr Überleben sichert. Hatidze Muratova, deren Leben dokumentiert wird, wurde vom Critics’ Choice Documentary Awards 2019 als «überzeugendstes lebendes Thema eines Dokumentarfilms» ausgezeichnet.
Ich würde gern in dieser Phase des Films miterleben, wie die Protagonistin mit den Bienen lebt. Die späteren Teile des Films, wenn ein profitorientierter Saisonimker in eines der leerstehenden Nachbarhäuser einzieht, würden mich zu sehr an die heutige Intensivimkerei erinnern.
Das Buch, von dem ich gerne eine Fortsetzung lesen würde …
...wäre «Geschichte der Staatsgewalt» von Wolfgang Reinhard. Durch die Zuspitzungen und die Reduktion des Gegenstands, nämlich die Geschichte Europas seit der Antike, ist dieses Buch für mich keine beliebige historische Darstellung. Mich würde eine Fortsetzung im gleichen Stil interessieren, in der aktuelle, uns neu erscheinende Prozesse (Globalisierung, Digitalisierung, Selbstoffenlegung von Informationen durch jeden Einzelnen, Künstliche Intelligenz) berücksichtigt sind. Ich verspreche mir davon Antworten auf die Frage, wie sich staatliche Macht in den sich verändernden Rahmenbedingungen entwickelt.
Die Bücher, die momentan auf meinem Nachttisch liegen…
...sind Jenny Erpenbeck, «Kairos» (München, 2021) und eine Ausgabe des humanistischen Magazins «diesseits», durch dessen Berichte ich noch einmal auf das ausgezeichnete Buch gestossen wurde. Der Vorsitzende der Jury zur Verleihung des Uwe-Johnson-Literaturpreises, der Giessener Literaturwissenschaftler Carsten Gansel, formuliert darin die Pointe, dass Literatur eine «Umverteilung von Erfahrung» ermögliche. Sie erinnert mich auch an meinen Aufenthalt in der Eisenbibliothek.