Folge 8: Anwendungen der graphischen Statik
Anwendungen der graphischen Statik / nach Professor Dr. Carl Culmann bearbeitet von Wilhelm Ritter. Teil 1: Die im Inneren eines Balkens wirkenden Kräfte. (Zürich : Raustein, 1888). Teil 2: Das Fachwerk. (Zürich : Meyer & Zeller, 1890).
Erschienen im Mai 2016
Das Lieblingsbuch von Professor Thomas Boothby
Professor Thomas Boothby hat als Scholar in Residence zwei Wochen lang in der Eisenbibliothek recherchiert. Seine Forschungen konzentrieren sich momentan auf den Einsatz empirischer Methoden beim Bau von eisernen Brücken im späten 19. Jahrhundert und auf die Frage, wieso sich die Konstruktion der Tragwerke von Brücken in den USA und in Europa unterschiedlich entwickelt hat. An seinem Lieblingsbuch fasziniert Thomas der umfassende und vielseitige Ansatz.
Thomas Boothby
... ist Professor für Bauingenieurwesen an der Pennsylvania State University. Zuletzt hat er ein Buch über die Geschichte der Entwurfsmethoden beim Bau von eisernen und anderen Brücken in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht. Momentan konzentrieren sich seine Forschungen auf den Einsatz empirischer Methoden beim Bau von Gebäuden und Brücken. Im verschneiten April 2016 hatte Thomas das Vergnügen und Privileg, sich intensiv mit den Beständen der Eisenbibliothek zum Thema Brücken auseinanderzusetzen.
Das Buch, in dem ich gerne mitspielen würde ...
Mark Twain: Leben auf dem Mississippi
Das Buch, von dem ich gerne eine Forsetzung lesen würde ...
Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang
Das Buch, das momentan auf meinem Nachttisch liegt ...
Margaret Drabbel: Der Sommervogel
Anmerkung der Redaktion:
Thomas Boothby pflegt verschiedene Passionen, neben den Eisenbrücken zum Beispiel auch die Kunst des Aquarellierens. Zum Abschied schenkte er der Eisenbibliothek eines seiner Meisterwerke (oben).
Zum Vergleich (rechts): Das Paradies durch die Fotolinse
Anwendungen der graphischen Statik / nach Professor Dr. Carl Culmann bearbeitet von Wilhelm Ritter.
Teil 1: Die im Inneren eines Balkens wirkenden Kräfte.
(Zürich : Raustein, 1888).
Teil 2: Das Fachwerk. (Zürich : Meyer & Zeller, 1890).
Dieses Buch wurde von einem Professor der ETH Zürich verfasst, der bei Carl Culmann studiert hatte. Culmanns 1875 erschienenes Buch Die Graphische Statik ist ein gutes Beispiel für die «reine Lehre»: Es stellt ausschliesslich grafische Methoden für die Lösung verschiedener Probleme im Zusammenhang mit der Mechanik von Brücken und anderen Bauten vor. Da Culmann in Die Graphische Statik analytische und empirische Methoden aussen vor lässt, ist das Buch vor allem von akademischem Interesse.
Das Folgewerk von Ritter nutzt Culmanns Methoden, um praktische Lösungen für alltägliche technische Probleme zu skizzieren: Elastizität, Tragwerke, Träger, durchlaufende Träger und Bögen. Dieser Band enthält ein Kapitel über grafische Methoden zur Bestimmung der Elastizität, ein umfangreiches Kapitel über Tragwerke und ein kurzes Kapitel über den elastischen Bogen. Am interessantesten fand ich das Kapitel über Tragwerke, das zu einem Vergleich der Tragwerksanalyse nach Ritter/Culmann mit anderen Analysemethoden anregt. Das Werk zeichnet sich durch seinen eklektischen Ansatz bei der Entwicklung von Lösungen aus: durch die Kombination von grafischen und analytischen Methoden, die in der Tat beide für notwendig erachtet werden.
Bei statisch unbestimmten Tragwerken gibt sich Ritter in den meisten Fällen damit zufrieden, die Lastverteilung intuitiv vorzunehmen, indem er die Hälfte der Kräfte auf redundante Systeme oder Träger verteilt. Er behandelt zahlreiche weit verbreitete Tragwerkstypen im Detail – Pratt- und Warren-Fachwerke, Pauli, Schwedler – ohne dabei ein einzelnes System besonders hervorzuheben. Die beiden letztgenannten Konstruktionen eignen sich besonders gut für die grafische Analyse.
Der Autor entwickelt mithilfe der projektiven Geometrie besonders prägnante Lösungen für spezielle Formen von Fachwerken. Auch hier liegt die Stärke dieses Buches in der Bereitschaft, auf Lösungen jedweder Art – auch Näherungslösungen – für vielfältigste Probleme bei der Analyse von Brücken- und Dachträgern einzugehen.
Das Exemplar der Eisenbibliothek befand sich zuvor im Besitz der Bibliothek des Zürcher Ingenieurs Gustav Griot. Viele Kapitel sind mit Anmerkungen versehen, einige davon in Kurzschrift (z.B. Seite 145 und 153 in Teil 2).