Folge 15: Reise nach den ungarischen Bergstädten ...
Joachim von Sternberg: Reise nach den ungarischen Bergstädten Schemnitz, Neusol, Schmölnitz, dem Karpathengebirg und Pest im Jahre 1807. (Wien 1808).
Erschienen im April 2019
Das Lieblingsbuch von Mariann Juha
Mariann Juha hat sich als Scholar-in-Residence zwei Wochen lang mit montanhistorischen Werken in der Eisenbibliothek beschäftigt. Ihr Projekt «Bergbautraditionen. Immaterielles Erbe des Montanwesens» geht der Frage nach, was die Bevölkerung der ehemaligen Bergbauorte Europas verbindet. Ausgangspunkt ist die ehemalige Silberstadt Schemnitz (Banská Štiavnica). Bei den Recherchen ist sie auf ihr Lieblingsbuch, eine faszinierende Reisebeschreibung, gestossen.
Mariann Juha
... arbeitet als Senior Wissenschaftlerin an der Technischen Hochschule in Deggendorf. Ihre aktuelle Themen sind die Digitalisierung der Museen und die Anwendungsmöglichkeiten von Kultur-Apps.
Ihre Leidenschaft sind Museen, und besonders faszinierend findet sie Objekte, die eine Geschichte erzählen. Vor ihrer Tätigkeit für das Stadtmuseum Deggendorf war sie im Deutschen Historischen Museum in Berlin, im Deutschen Museum in München und an der Ungarischen Akademie für Wissenschaften in Budapest beschäftigt.
Eine Promotion über die Geschichte der Mineralogie im 18. Jahrhundert hat sie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München abgeschlossen.
Sie lebt mit ihrer Familie in München.
Die Zeitschrift, in der ich gerne mitspielen würde:
Ferrum
Das Buch, von dem ich gerne eine Fortsetzung lesen würde:
Daša Drndić: April u Berlinu
Die Bücher, die momentan auf meinem Nachtkästchen liegen:
Péter Esterházy: Harmonia Caelestis
Ljudmila Jewgenjewna Ulizkaja: Daniel Stein
Joachim von Sternberg: Reise nach den ungarischen Bergstädten Schemnitz, Neusol, Schmölnitz, dem Karpathengebirg und Pest im Jahre 1807. (Wien 1808).
Joachim von Sternberg (1755–1808) wurde als Sohn des Grafen Johann Nepomuk Sternberg (1713–1798) geboren. Er war ein böhmischer Naturforscher, Metallurge und Ballonflugpionier. Als Mitglied der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin und der Botanischen Gesellschaft in Regensburg verfügte er über gute, auch internationale, Vernetzungen mit den zeitgenössischen Naturwissenschaftlern. Bis jetzt habe ich leider nur sehr wenig Quellen zu seiner Person gefunden. Umso größer war meine Freude, als ich sein Reisetagebuch in der Eisenbibliothek entdeckt habe
Neben den Reisen bei denen man Erlebnisse und neue Erfahrungen in der «Fremde» suchte, hatten die «mineralogischen Reisen» – als ein neuer Trend seit dem 18. Jahrhundert – eine immer größere Bedeutung in Europa. Man besuchte die europäischen Bergwerke mit dem Ziel, die Berggruben zu beschreiben und über die neuen Methoden der Gewinnung der mineralischen Rohstoffe – wenn es möglich bzw. erlaubt war – eine Nachricht geben zu können und nicht zuletzt über die beim Reisen aufgesuchten Sammlungen zu berichten. Die für das breitere Publikum eher unbekannten und dafür als exotisch, aber noch als sicher geltenden Bergbauorte des historischen Ungarns waren bevorzugte Themen von zeitgenössischen Reisebeschreibungen.
Sternberg beginnt seine Reise am 4. Juni 1807. Auf seinem Weg notiert er die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die bedeutendsten historischen Ereignisse, die geografischen und geologischen Besonderheiten, die Bergbauorte, die Hüttenwerke und die entscheidenden Persönlichkeiten der jeweiligen Ortschaften. Exakte Daten über den Bergbau oder über das Hüttenwesen sind in dieser Reisebeschreibung kaum zu finden. Wenn man nachschaut, wo das Buch gedruckt wurde – in Wien, stellt man sofort fest, dass der Inhalt des Buches wohl unter der österreichischen Zensur litt.
Warum wählte er ausgerechnet die im Titel seines Reisebuches benannten Bergbauorte? Schemnitz (Banská Štiavnica, Slowakei), Neusohl (Banská Bystrica, Slowakei) und Kremnitz (Kremnica, Slowakei) waren die drei wichtigsten niederungarischen Bergstädte für Silber-, Kupfer- und Goldbergbau. Im zu den oberungarischen Bergstädten gehörenden Schmölnitz (Smolník, Slowakei) fand 1786 eine der ersten metallurgischen Konferenzen unter Mitwirkung des berühmten Mineralogen und Freimaurers Ignaz von Born (1742–1791) statt. Wahrscheinlich notierte Sternberg mehr Daten und Informationen bezüglich des zeitgenössischen Montanwesens in seinem Manuskript, als in der Druckversion zu lesen ist.
Am Ende seiner Reise kommt er in Pest an, wo er sein Netzwerk massiv erweitert (über diese Informationen sah die Zensur wohl hinweg). Sternberg besucht die Bibliothek und Münzsammlung des Grafen Franz von Széchényi (1754–1820), das Naturalienkabinett, das Laboratorium von Professor Jakab Jozsef Winterl (Jakob Joseph Winterl, 1739–1809), die Sternwarte und die Universitäts-Buchdruckerei in Ofen (Buda). Das Buch gibt einen interessanten Einblick in das Königreich Ungarn in der Umbruchszeit der Frühindustrialisierung.