44. TGT 2023

Low Tech: Procedures, Actors, Concepts
14./15. November 2025 in Schlatt, Schweiz

Die 44. Technikgeschichtliche Tagung fand am 14. und 15. November im Klostergut Paradies in Schlatt statt und brachte rund 50 Forscherinnen und Forscher, Praktiker und Enthusiasten unter dem Leitthema «Low-Tech: Procedures, Actors, Concepts (Verfahren, Akteure, Konzepte)» zusammen. Die von der Eisenbibliothek organisierte Veranstaltung befasste sich mit einem Thema von wachsender globaler Bedeutung in einer Zeit des raschen technologischen Wandels. Zum ersten Mal wurde die gesamte Tagung in englischer Sprache abgehalten – ein wichtiger Schritt, der die zunehmende internationale Reichweite der Veranstaltung widerspiegelte, zu der Referenten aus Singapur, Indien, den USA und ganz Europa angereist waren.

Die Tagung begann mit einer eindrucksvollen Vorveranstaltung unter der Leitung des Architekten und Künstlers Thomas Horvath, dem Erfinder des «Zero-Wind-Kites». Als die Gäste seine schwebenden Low-Tech-Konstruktionen über die Rheinfälle führten, erlebten sie ein anschauliches Beispiel dafür, wie einfache Materialien und verkörpertes Wissen elegante und anpassungsfähige Technologien hervorbringen können. Diese stimmungsvolle Einführung gab den Ton für zwei Tage der Reflexion darüber an, wie Low-Tech in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten vorgestellt, diskutiert und neu gedacht wurde.

In sechs thematischen Panels kuratierte der wissenschaftliche Beirat ein reichhaltiges Programm, das von historischen Analysen bis hin zu ökologischen, politischen und konzeptionellen Perspektiven reichte. Die Beiträge am ersten Tag bewegten sich zwischen Hightech-Labors und alltäglichen Umgebungen: Low-Tech-Strategien in KI-Systemen, traditionelle Kühlmethoden in Singapur, Neuinterpretationen der Brücken des Meiji-Japans und verborgene Einfachheiten in der Geschichte der Informatik. Eine Führung durch die Uhrenfabrik Moser & Cie verdeutlichte, wie einfache Technologien und präzise Handwerkskunst weiterhin die moderne Technik prägen.

Weitere Präsentationen zeichneten die stille Beständigkeit von Low-Tech-Infrastrukturen nach – von Mühlen und Rohrleitungssystemen bis hin zu Kinderrollern als Hilfsmittel für Mobilität und Notwendigkeit als Mutter der Erfindung in der materiell begrenzten deutschen Kriegswirtschaft. Am zweiten Tag lag der Schwerpunkt auf Handwerkskunst, Werkzeugen und institutionellen Visionen. Die Referenten befassten sich mit Zardozi-Stickereien in Indien, der Interpretationskraft von Handwerkzeugen, sich wandelnden Handwerkskulturen, ressourcenschonenden Strategien in der Medizintechnik der DDR und Versuchen, Low-Tech an der TU Berlin zu institutionalisieren. In den Diskussionen wurde immer wieder betont, dass Low-Tech weder nostalgisch noch minderwertig ist, sondern ein dynamisches, relationales Konzept, das von kulturellen Praktiken, materiellen Zwängen und sozialen Bedürfnissen geprägt ist.

In seiner abschliessenden Zusammenfassung verknüpfte Stefan Krebs der Universität Luxembourg die konzeptionellen und empirischen Stränge der Konferenz und hob die Dringlichkeit des Low-Tech-Denkens in Zeiten globaler Herausforderungen hervor.

Die Teilnehmende erkundeten auch die Eisenbibliothek und das Klostergut Paradies, deren Architektur und Sammlungen das langjährige Zusammenspiel von Kultur, Technologie und Handwerkskunst verkörpern.

Mit ihrem lebhaften Austausch, der internationalen Beteiligung und ihrer intellektuellen Tiefe bestätigte die 44. Konferenz erneut die Rolle der Eisenbibliothek als führendes Forum für wichtige Reflexionen zur Technikgeschichte. Die Beiträge der Veranstaltung werden 2026 in der Zeitschrift «Ferrum» der Bibliothek veröffentlicht.

Referentinnen und Referenten

Riccardo Barbone, CTO Global Design and Prefabrication, GF Industry and Infrastructure Flow Solutions, Schaffhausen, Schweiz
Evolution of Piping Systems: A Low-Tech Perspective

Joshua Dao-Wei Sim, Ph.D., National University of Singapore
Alternatives to the Aircon: Exertional and Vernacular Heat Management Strategies as «Low-Tech Cooling» in Singapore, 1970s to the present

Maximilian Gasch, M.A., TU Dresden, Deutschland
Low-tech as a necessity of German automotive research during the Second World War

Dr. des. Dorothea M. Hutterer, Rachel Carson Center – LMU München, Deutschland
Mills on Maps - Low-Tech Continuity in the Cultural Landscape

Clemens Janke, M.A., TU Braunschweig, Deutschland
Treating Brain Damage with an Intercom System. Re-Use Strategies of Departments of Scientific Medical Engineering at University Clinics in the GDR in the 1980s

Assist. Professor Stefan Krebs, University of Luxembourg
Conclusion and closing remarks

Prof. Dr. Steven Lubar, Brown University, Providence RI, USA
Hand tools as a model for understanding technology

Ph.D. cand. Simon Maier, Justus-Liebig-Universität Giessen, Deutschland
Low-tech Engineering: The example of IPAT at TU Berlin (1970s and 1980s)

Prof. Dr. Catharine Rossi, University for the Creative Arts, Canterbury, UK
A Recent History of the Handmade: From Modern Craft to Post Craft, from Making to Growing

Zoe Shipley, M.A., University of Durham, UK
Bridges of Japan: A low-tech/high-tech case study of Meiji technology, 1868 – 1912

Beatriz Rodrigues Moreira da Silva, M.A., Georg Fischer AG, Schaffhausen, Schweiz
Directed Acyclic Graphs (DAGs): A Low-Tech Conceptual Tool in AI and Beyond

Dr. Madhulika Sonkar, Indian Institute of Technology (IIT) Delhi, New Delhi, India
«Handloom needs hunar (talent), not hi-tech tools»: Pedagogies of revival and representation among zardozi artisans in Contemporary India

Patryk Wasiak, Ph.D., Polish Academy of Sciences, Warsaw, Poland
Deconstructing «Low-tech» within the Narrative of Progress in «High-tech» as documented by the Computer Industry

Prof. Dr. Heike Weber, TU Berlin, Deutschland
Low-tech Engineering: The example of IPAT at TU Berlin (1970s and 1980s)

Dr. Silke Zimmer-Merkle, Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Deutschland
Are children’s mobilities (s)low-tech? Reflections on the historical example of the scooter